Animals' Angels Logo

Liebe Freunde und Förderer,

in diesem Monat sind 20 Jahre vergangen seit der ersten Begleitfahrt von vier Teams hinter zwei Tiertransportern.

Am 27. März 1996 waren unterwegs:

Jasnica Mackovic, Katja Dreier, Marco Gierth und das Ehepaar Goldmann (beide damals in den Siebzigern und mittlerweile verstorben) mit ‚Schlacht‘pferden von Frankfurt/Oder nach Lauterbourgh im Elsaß, wo die Tiere in Eisenbahnwaggons verladen wurden nach Carpentras in Südfrankreich – sowie: Ulf Naumann, Jörg Ostendorf, Ursula Blanke und Andrea Walesch mit Jungbullen bis zum Autobahndreieck Inntal.

Die PKWs hatten Schilder im Heckfenster (Bild unten), gemalt von der Künstlerin Uta Seier-Maltz, schon damals eine unerschütterliche Freundin und Unterstützerin meiner Tierschutzarbeit. Das Benzin und die Telefonkosten dieser ersten Fahrt wurden von meinen Eltern und von Pit und Wilgard Janssens aus Telgte gesponsert, bzw. von den Teilnehmern selbst bezahlt. Leider sind die Protokolle auf dem damaligen dünnen Faxpapier inzwischen unlesbar geworden. Aber ich erinnere mich noch genau, wie angespannt und unsicher wir alle waren. Und wie sehr uns Herr Lagemann in Frankfurt/Oder geholfen und ermutigt hat. Ohne seine praktische und emotionale Hilfe hätten wir das nicht geschafft.

Diese neun Menschen waren echte Pioniere und ich bin ihnen bis heute dankbar, dass sie den Mut hatten, meine Idee auszuprobieren. Ich wollte damals nämlich die Tiere endlich mal sehen, die immer versteckt werden, die eben niemand sehen darf, weil ihr Zustand so erbärmlich ist. Bauernhöfe, Schlachthöfe, Mastanlagen – das ist alles Privatbesitz. Wer sich hineinschleicht begeht Hausfriedensbruch und die Beweismittel, die man so bekommt, sind dann meist nicht gerichtsfähig. Also müssen wir die Tiere im öffentlichen Raum aufsuchen und das sind die Straßen und Autobahnen, wo alle ‚Nutz'tiere früher oder später ganz bestimmt auftauchen, im sogenannten Transportgeschehen.

Wir waren alle total aufgeregt in diesen Märztagen 1996. Zwar hatte ich die Fahrt von Frankfurt/Oder nach Lauterbourgh schon selbst gemacht, Monate früher mit meiner Freundin Madeleine Martin. Ich konnte ja nicht andere zu etwas auffordern, was ich nicht selbst erst mal ausprobiert hatte. Aber nun sollten neun Menschen mit vier PKWs unterwegs sein, das fühlte sich schon anders an damals…

Aber es klappte. Meine Idee ging auf – und sie hat sich bewährt bis zum heutigen Tag. Wer bei den ‚Nutz‘tieren sein will, der muss auf die Straße. Schon bei der allerersten Fahrt haben wir zwei Fahrer zur Anzeige gebracht – wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung. Das heißt wir haben von Anfang an auf die Verfahren des Rechtsstaates gesetzt und das tun wir immer noch. Auch wenn dieser Weg frustrierend, mühselig, teuer und langwierig ist.

Im April fuhren dann weitere Teams, das war damals die Zeit der Aktivisten. Und wie viel von ihnen verlangt wurde, zeigt der damalige Anforderungskatalog:

  1. Sie brauchen auf jeden Fall ein Handy, das Sie sich am besten von Freunden oder Bekannten ausleihen. Ohne Handy keinen Einsatz. Es ist nicht nur gefährlich, ohne zu fahren, es ist auch zwecklos, wenn sich die Teams durch mangelnde Kommunikation dann verlieren bzw. von LKW-Fahrern abgehängt werden.
  2. Sie müssen gesund sein. Das betrifft sowohl Ihre Verdauung als auch Ihr Konzentrationsvermögen. Eine solche Fahrt ist anstrengend und nur durchzuhalten, wenn die entsprechende Kondition da ist.
  3. Sie müssen gute Nerven haben. Einmal für das Warten – ein Team hat zwei Tage an der Autobahn gewartet, bis ein passender Transporter vorbeikam. Das wollen wir natürlich in Zukunft durch bessere Kommunikation vermeiden, aber auszuschließen ist es nicht.
  4. Sie müssen krisenfest sein. Es kann alles Mögliche passieren, von Konfrontationen mit den Fahrern über Autopannen oder zeitweiliges Verlieren des anderen Teams. Da müssen Sie selbst improvisieren und dafür sorgen, dass dank Ihrer Phantasie der Einsatz ein Erfolg wird.
  5. Sie müssen genügend Zeit mitbringen. Niemand kann Ihnen garantieren, dass die angesagten Transporter auch wirklich kommen. Und wenn Sie z. B. eine weite Anfahrt zu einem der Grenzübergänge haben, dann wollen Sie ja nicht unverrichteter Dinge wieder umkehren.
  6. Sie müssen Ihren Einsatz finanzieren können. Entweder durch eigene Mittel oder indem Sie jemanden bitten, der nicht selbst fahren kann, Sie zu sponsern. Von unseren Teams waren zwei gesponsert, wobei die Höhe der Kosten natürlich von der gefahrenen Strecke und der Anzahl der notwendigen Übernachtungen abhängt.

Und auch die Schilder im Heck mussten die Teams mit 50,- DM selbst finanzieren.

Wir wurden mutiger und fuhren auch nach Frankreich, Österreich, Polen, und schließlich eroberte Heike Fix fast im Alleingang für uns die sogenannte Ost-Route von Polen nach Süditalien. Damals in den ersten Monaten der Einsätze beschrieben die Teams ihre Erfahrungen so:

  • „Unser Apotheker hat mir sein Handy geliehen und meine Großmutter hat mich gesponsert.“
  • „Nach der Konfrontation mit dem aggressiven LKW-Fahrer hatte ich zum ersten Mal im Leben das Gefühl, wirklich etwas für Tiere riskiert zu haben.“
  • „Unsere Pressearbeit nach dem Einsatz war ein großer Erfolg. Wir bekamen so ein breites Medien-Echo wie noch nie bei einer Aktion.“
  • „Der Zusammenhalt zwischen unseren beiden Teams während des Einsatzes war phantastisch. Und die vielen Probleme, die wir dann doch irgendwie gemeistert haben, brachten uns nur noch enger zusammen.“
  • „Mit den Informationen, die wir gesammelt haben, wurde ‚unser' Fahrer zur Anzeige gebracht. Außerdem konnten an bisher unbekannten Fahrtrouten gezielte Polizeikontrollen eingerichtet werden.“
  • „Die anderen Autofahrer auf der Autobahn waren klasse. Einige winkten, zeigten den erhobenen Daumen. Andere machten uns Platz. Wir fühlten uns da moralisch unterstützt.“
  • „Wir hatten an der Grenze und später auf der Autobahn Handyverbindung zu Tierfreunden, die sich mit dem Transportgeschäft besser auskennen als wir. Rund um die Uhr, auch nachts um 2, haben die uns mit praktischen Hinweisen versehen, ganz abgesehen von der moralischen Unterstützung. Das ‚Haltet durch!' habe ich immer noch im Ohr...“

Und natürlich kam auch die erste Kritik. Sogar schon vor der allerersten Fahrt hatte sich mein Plan herumgesprochen. Die Aktionsgemeinschaft Deutsches Fleisch reagierte am 12.3. mit einer vertraulichen Eilmeldung: „Wie wir soeben aus wohlinformierten Kreisen erfahren haben, rüstet die Tierschutzszene im Moment gegen Schlachtviehtransporte auf. Es ist geplant, dass Aktivisten aus der Szene ab Mitte März bis Juli 1996 Schlachtviehtransporte mit Privat-PKWs verfolgen und genau beobachten und detaillierte Protokolle anfertigen sollen.“ – Und dann mahnte die AGF ihre Mitglieder, die Pausen einzuhalten und die Transporter im Schatten zu parken.

Nun ja, wir haben es länger ausgehalten als Juli 1996 und mittlerweile mit unseren PKWs mehrmals den Erdball umkreist, immer hinter den Transportern mit den armen Tieren her. Und wir haben auch nicht vor, damit aufzuhören. Solange die Tiere fahren müssen, werden wir auch fahren, freiwillig.

Es gab damals für die Teams:

  • rote Zettel mit Hinweisen zur Sicherheit der Teams,
  • blaue Zettel mit Hinweisen, was man braucht bei so einer Begleitfahrt und wie man sich im Gespräch mit Pressevertretern am besten verhält,
  • gelbe Zettel mit Fakten über Tiertransporte und Hinweisen zu den gesetzlichen Bestimmungen,
  • grüne Zettel mit einem Schema, in das die beobachteten Fakten eingetragen wurden, das waren die bescheidenen Vorläufer der professionellen elektronischen Protokolle von heute.

Und natürlich gab es schon im Juli 1996 Zoff mit der Politik. Das hessische Ministerium des Inneren und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz ließ mir auf meine Frage hin, ob es nicht angebracht sei, die Polizei im Hinblick auf Tiertransportkontrollen zu schulen, mitteilen: „Eine Fortbildung von Polizeibeamten bezüglich der Kontrolle von Tiertransporten ist nicht erforderlich.“

Nun ja, heute, 20 Jahre später, haben wir hunderte von Polizeibeamten in Europa und Australien ausgebildet, Polizeihandbücher in drei Sprachen herausgebracht und die Animals‘ Angels-Schulungen genießen hohes Ansehen bei den Beamten und ihren Vorgesetzten.

Auszug aus dem 1. Fahrtenbuch der Teams: „21:14 Uhr, er (der LKW) fährt raus bei Zwickau. Ein Mann kommt raus. Er bedroht uns mit einem starken Spazierstockartigen Stock (evtl. für Bullentreiben): ‚Ihr habt wohl Langeweile!' Wir ins Auto, Fenster zu.“

So war das damals, als alles anfing. Ein bisschen nostalgisch ist mir ja schon zumute, wenn ich das so aufschreibe. Heute sind wir bekannt, effizient, professionell. Wir erreichen eine Menge für die Tiere. Wir werden unterstützt von beständigen und treuen Förderern. Unsere Publikationen macht ein Graphikbüro und eine IT-Firma hält uns technisch in Atem und auf dem neuesten Stand. Wir arbeiten auf vier Kontinenten. Aber Professionalität hat natürlich auch ihren Preis und allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das wusste schon Herrmann Hesse.

Nostalgie ist ein Privileg des Alters. Fotos gibt es kaum von den ersten Fahrten. Filme und die Entwicklung der Fotos waren zu teuer. Und so erinnert man sich an die Begeisterung und die gute Kameradschaft dieser Einsätze, aber natürlich nicht an den Schmutz allerbilligster Hotels. Man erinnert sich an bestimmte Tiere im Elend und verdrängt die Verzweiflung, dass es einfach keine Vorschriften gab, auf die man sich zu ihrem Schutz hätte berufen können. Vielleicht halte ich deshalb so zäh an meinem uralt Nokia Handy fest, das nicht mal mehr texten will, weil es mich an diese Pionierzeit erinnert…? Nostalgie ist ein Privileg des Alters.

Aber: Wir waren im März 1996 bei den Tieren. Wir sind im März 2016 immer noch bei den Tieren. Damals wurden wir erst mal als Spinner belächelt und beschimpft. Heute heißen wir Animals' Angels und verlangen eine europaweite Begrenzung der Transportzeit für ‚Schlacht‘tiere und werden von 1.1 Millionen EU-Bürgern und dem EU-Parlament unterstützt. Es war kein einfacher Weg dahin. Aber die Tiere haben uns geholfen. Ihre Stummheit hat uns angetrieben, für sie zu sprechen. Ihre Not hat uns Schlafmangel, Schmerzen und Angst überwinden lassen. Sie haben uns immer wieder Kraft gegeben, obwohl sie ja selbst oft keine mehr hatten. Merkwürdig, aber so war das. Und: so ist das immer noch.

Wir waren bei den Tieren. Wir sind bei den Tieren. Und wir wollen bei den Tieren bleiben.

In dankbarer Verbundenheit für Ihre Unterstützung grüße ich Sie herzlich!
Ihre
Christa Blanke

Christa Blanke Die Autorin dieses Newsletters:

Christa Blanke
Vereinsgründerin, Projektleiterin
Ethik, Tierschutz in der
Gesellschaft und Tierschutztiere.

Kontakt:
Animals' Angels
Rossertstr. 8, 60323 Frankfurt am Main
Telefon +49 69 707 981 70
E-Mail: freunde.foerderer@animals-angels.de
www.animals-angels.de

» Impressum

Spenden Deutschland:
GLS Gemeinschaftsbank
BIC GENODEM1GLS
IBAN DE87 4306 0967 6027 9592 01

5 EUR für die AA-Teams:
Spenden-Hotline: 0900 114 00 14
Helfen per SMS: TIER an 8 11 90

Spenden Schweiz:
Stiftung Animals' Angels Schweiz
Basler Kantonalbank, Clearing-Nr.: 770
Konto: 16 5508 0830 6, Postkonto: 40-61-4
IBAN: CH54 0077 0016 5508 0830 6

Nr. 11/2016