Auf dem Kälbermarkt in Pola de Siero im Nordwesten Spaniens werden rund 1.300 Kälber im Alter von zwei Wochen bis zwei Monaten zum Verkauf angeboten. Der Markt ist besser als viele andere. Die Pferche sind dick mit Stroh eingestreut, ein Fütterungsteam versorgt die Jungtiere abends und morgens mit Milchaustauscher. Trotzdem schreien immer Kälber, deren Versorgung schon zu lange her ist. Das Schreien geht einem durch Mark und Bein. Und es ist schwer in die vielen Kindergesichter zu schauen, und zu wissen, dass sie bald im Schlachthof enden werden, irgendwo. Die Möglichkeit, dass sie in einem Exportstall kommen, von dem aus sie nach Algerien, in den Libanon, nach Ägypten oder wo auch immer hin verschifft werden ist groß. Abends, als die Tiere auf den Markt gebracht werden, fällt uns Vigo auf. Das hellbraune Kalb, das schon ein bisschen größer ist als die meisten, atmet schwer. Immer wieder hustet Vigo stark und scheint schlecht Luft zu bekommen. Wir sprechen den Händler an, der uns berichtet, dass er Vigo zwei Tage zuvor auf einem anderen Markt gekauft hat.
Er separiert Vigo von den anderen Kälbern und meint, dass er bereits Medikamente erhalten habe. Am nächsten Morgen hat sich Vigos Zustand nicht verbessert. Wir veranlassen eine tierärztliche Untersuchung. Er wird mit Antibiotika behandelt und soll auf dem Markt bleiben, bis es ihm besser geht. Der Händler interessiert sich nicht mehr für Vigo. Gibt ihm nicht einmal mehr Wasser. Für ihn ist Vigo jetzt nur noch eine Last, ein Kostenfaktor. Wir versorgen ihn mit Wasser und sprechen mit dem Marktpersonal. Sie wollen sich um Vigo kümmern, bis er abgeholt wird.
Zwei Kälber haben die Nacht nicht überlebt. Auch der kleine Simon kämpft mit dem Leben. Wir alarmieren die Amtstierärzt:innen auf dem Markt und Simon wird von seinen Leiden erlöst. Es ist traurig, die drei toten Tierkinder zu sehen, doch wir nicht umhin zu denken, dass ihnen so vielleicht viel Leid und ein weiteres herbes Schicksal erspart geblieben ist. Es scheint kaum etwas Schlimmeres zu geben, als Produkt der ‚Nutz’tierwirtschaft geboren zu werden.