Saudi-Arabien: Besuch auf dem Kamelmarkt in Abu Nakhla – Tradition um jeden Preis?

Kamel auf dem Kamelmarkt Abu Nakhla in Saudi Arabien

Was wir heute auf dem Kamelmarkt in Abu Nakhla beobachten, beschäftigt uns, macht uns wütend und traurig zugleich: Die jungen Kamelkühe Maysaa und Ghada sollen verwaisten Kamelkälbern als Ersatzmütter dienen und ihnen Milch geben. Das ist nicht einfach, denn Kamelmütter erkennen ihre Babys am Geruch und weisen fremde Kälber ab. Die sudanesischen Tierhändler auf dem Markt in Katar haben eine grausame Methode, das Problem zu umgehen. 

Wir beobachten, wie sie mit roher Gewalt die Nasenwege der beiden Tiere zusammenschnüren. 12 bis 24 Stunden bleiben ihre Nüstern fest verschnürt, bis sie praktisch zerstört sind und die Kamelkühe den Geruchssinn verloren haben. Dann werden ihnen die fremden Kälber gebracht. Da sie diese nicht mehr als solche erkennen können, nehmen sie sie an. 

Maysaa und Ghada erleiden ungemeine Schmerzen während dieser Prozedur. Sie wehren sich, versuchen sich zu befreien, bäumen sich auf. Doch sie sind wie Postpakete zusammengeschnürt. Sie haben keine Chance. Um sie ruhigzustellen, bekommen sie nicht etwa Schmerzmittel oder eine Betäubung. Stattdessen wird ein schwerer Sandsack auf Ghadas Halfterstrick gelegt, damit sie sich nicht mehr bewegen kann. Maysaa wird bei 46 °C in der prallen Sonne angebunden, sie bekommt einen Sattel auf den Rücken, an dem beidseitig schwere Säcke gefüllt mit Steinen befestigt werden. 12 bis 24 Stunden bleiben sie in diesem Zustand – unvorstellbar. Wir bitten den Tierarzt auf dem Markt um Hilfe. Doch er ist nicht minder verzweifelt als wir. Er kennt diese Methode sehr gut. Er hat den Tierbetreuern auf dem Markt mögliche Alternativen aufgezeigt, wie z.B. die Verabreichung von Hormonen. Doch sie vertrauen nicht auf die moderne Medizin. Allerdings rufen sie ihn, wenn die Prozedur vorbei ist, um Verletzungen der Kamelmütter mit Antibiotika zu behandeln. 

Gemeinsam mit dem Tierarzt schauen wir uns eine Kamelmutter an, die die Prozedur hinter sich hat. Sie wird behandelt, doch der ganze Kiefer- und Nüsternbereich sieht zerstört aus. Rechtlich hat der Tierarzt keinerlei Handhabe, denn es gibt weder ein Tierschutzgesetz in Katar noch wird die Antibiotikavergabe kontrolliert. In der Kamelhaltung sind ethno-medizinische Behandlungen weit verbreitet. Sicherlich sind nicht alle negativ zu bewerten, aber wenn Tieren unnötigerweise solch erhebliche Schmerzen zugefügt werden, muss etwas dagegen unternommen werden. Wir wollen diesen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen.